Blog 2: Comeback in Pai

Als ich mein Busticket nach Pai in den Händen hielt, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, nun auch mit dem Herzen richtig angekommen zu sein. Aus einer Gefühlsregung heraus kullerten mir zwei glückliche Tränen die Wangen runter und Dankbarkeit durchflutete mich.

Im Bus wollte ich eigentlich ein bisschen lesen oder schreiben, aber das war nicht so wirklich kompatibel mit meinen chinesischen Sitznachbarn. So beobachtete ich ein wenig diese aufgeregte Reisegruppe und fühlte mich wie schon so oft in meinem Leben: Gemocht, aber gekoppelt mit einem ich-passe-nicht-dazu-Gefühl. Als sie vom Schnatter- in den Schlafmodus wechselten, döste ich auch ein bisschen mit, um wenig später vom Sitz katapultiert zu werden. Die Straße nach Pai war noch nie die beste gewesen, aber im Moment ist sie fast durchgängig eine Baustelle. Vom ehemaligen Asphalt ist kaum noch etwas zu sehen und die Schlaglöcher haben sich in gemeinster Weise vervielfältigt. Die sonst so schöne saftige Natur links und rechts liegt unter dicken Staubdecken begraben. Und die 762 Kurven verursachten Gott sei Dank bei keinem der Fahrgäste ein Wiedersehen mit dem Frühstück.

In Pai angekommen hatte ich das Bedürfnis, die Innenstadt einmal hoch – und runter zu laufen, die Atmosphäre zu inhalieren und einen Begrüßungstee zu schlürfen. Irgendwie wirkte die City dieses Mal anders auf mich. Inwiefern anders, vermochte ich in diesem Moment noch nicht einzuschätzen. Da ich keine Lust auf ein eigenes Motorbike hatte, ließ ich mich mit einem Tuk-Tuk zu meiner (von Peter) ausgesuchten Unterkunft kutschieren. Dort wurde ich super-herzlich empfangen, sowohl von der Managerin als auch von herumlungernden (vorrangig amerikanischen) Touristen.

Mein Bungalow steht idyllisch in einem Garten mit Blick auf den Swimmingpool. Wenn er ein eigenes Bad haben würde … dachte ich sofort … würde ich es hier eine ganze Weile aushalten. Leider gibt’s hier auch wieder nur eine schmutzige Gemeinschaftstoilette und daneben eine Dusche. Da es keinen Weg dorthin gibt, latscht man ca. 20 Meter quer durch irgendein teilweise kniehohes Grünzeug, was ich aber ganz witzig finde. Die Hocktoilette ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber wesentlich hygienischer als diese Sitzdinger. Der Eimer mit Wasser und einer Schöpfkelle darin als Klopapierersatz ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig. Mein Bungalow ist ein kleines von Termiten zerfressenes Hüttchen mit einem Blätterdach und großen Löchern sowohl im Fußboden als auch im Moskitonetz. Das Mobiliar besteht aus einer steinharten Matratze und einem kleinen Tischchen. Als Bettzeug begnüge man sich mit einem Kissen und einer Steppdecke. Die Decke ist unbezogen. Habe ich mich im Hotel in Chiang Mai noch darüber aufgeregt, welche Verschwendung es ist, täglich die Bettwäsche zu wechseln … hier wäre ich glücklich über einen einzigen Bezug. Aber dazu später mehr.

Bei der Poolbesichtigung grüßte mich ein Mann mit einem deutsch klingenden „Hallo“. Aha, ein Landsmann! Das Alter war schwierig zu schätzen. Aber ehe ich mich versah, verwickelten wir uns in ein interessantes Gespräch und daraus entwickelte sich in Turbogeschwindigkeit eine herzliche Freundschaft, die sich durch eine unkomplizierte Offenheit auszeichnete. Kurz nach Sonnenuntergang (gegen 18 Uhr) sprangen wir dann beide auf, denn es wurde schlagartig richtig kalt. Und wir hielten es für angebracht, unsere Gespräche – dick angezogen – auf seiner Terrasse fortzuführen. Und so lud er mich zu selbstgeschnippelten Salat ein und ich war gespannt, was er da so fabriziert. An dieser Stelle würde einmal mehr wieder der Satz passen: Weniger ist mehr, back to Basics. Der Chinakohl auf meinem Teller hatte einen gewissen Wiedererkennungswert, die Guakermole beinhaltete Zutaten, die ich nicht alle kannte und als Nachtisch gab´s alles Mögliche zu knabbern, was ich noch nie gesehen, geschweige denn gegessen hatte. Das eine sah aus wie eine Knoblauchbolle, schmeckte aber nach lieblichem Rettich und die braunen Minikiwis nennen sich treffenderweise Zimt-Früchte. Die waren auch sehr lecker. Und wer meint, wir hätten unsere deutschen Gespräche weitergeführt, der irrt. Es gesellte sich ein netter Franzose zu uns: Muschido. Wir swichten um auf Englisch, sprachen über Spirituelles, Politik, Medizin, über Lebenserfahrungen und schafften es trotz dieser ernsten Themen zwischendurch zu lachen. Den zweiten Höhepunkt des Abends hatten wir ebenfalls Wolf zu verdanken. Er holte plötzlich seine Gitarre raus. War ich davor schon irgendwie glücklich, machte mich dieses Beisammensein mit Musik nun noch glücklicher. Wieder kullerten mir ein paar Tränen der Dankbarkeit die Wange runter. Wie einfach es ist, tolle Leute kennen zu lernen. Wie einfach es ist, sich verbunden zu fühlen, wie einfach es ist, glücklich zu sein. Danke lieber Wolf, lieber Muschido und liebes Universum.

Superzufrieden ging ich gegen elf in mein Blätterhüttchen. Trotz schlechter Beleuchtung und einem Schreckmoment, weil ich auf die Stelle der Bastmatte getreten bin, worunter kein Fußboden mehr war, sah ich etwas in meinem Bett, was mich an Campingurlaube erinnerte: Mäusekekel. Und auch meine abendliche Waschaktion verdiente maximal den Begriff: Katzenwäsche. Mei, war das kalt. Nur mit Widerwillen zog ich mir meinen provisorischen Schlafanzug an: Leggings, T-Shirt und ein Kaschmirpullover drüber. Meine zwei warmen Jacken legte ich vorerst über meine Zudecke und die zwei Paar Socken behielt ich gleich an. Gott sei Dank hatte ich mir auch noch eine zusätzliche Decke organisiert. Auf klappernde Zähne in der Nacht hatte ich dieses Jahr keine Lust. Als ich dann im Bett lag, wollte ich wirklich schlafen. Aber ich kämpfte nicht nur stundenlang mit der Müdigkeit, sondern auch mit meinem Bettzeug. Denn die Zudecken muffelten irgendwie sehr eigenartig und meine Versuche, den oberen Rand meiner Decke so mit meinem Handtuch einzuschlagen, dass mein Näschen etwas geschont wird, waren nicht sofort erfolgreich. Am liebsten hätte ich meinen PC genommen, um ein bisschen zu schreiben. Aber an die Wände konnte man sich nicht anlehnen (sonst wäre man wahrscheinlich durchgebrochen), ich hatte keinen Strom und außerdem war es zu kalt. So versuchte ich meinen Einschlaftermin vorzuverlegen, indem ich meditierte, betete und zwischendurch meiner Nachbarin unfreiwillig beim Singen zuhörte. Leider war sie sturzbetrunken, sonst hätte ich einen Versuch unternommen, sie vom Singen abzuhalten. Aber an dieser Stelle sei mal wieder dem Erfinder von Ohropax ein Dankeschön von mir sicher.

Und auch wenn ich lieber durchgeschlafen hätte, ich musste nachts mal dringend auf die Toilette. Also, Stirnlampe aufgesetzt, Turnschuhe und Anorak angezogen, 20 Meter wie ein Storch durch den Garten gestakst (damit die Füße trocken bleiben). Dann auf dem entsprechenden Equipment in die Hocke gegangen, gepullert und dabei überlegt, wie ich es beim nächsten Mal anstelle, dass es dabei  nicht so spritzt. Ja richtig, gleich in die Natur puschen. Aber das traute ich mich nicht. Denn irgendwie gab es außer mir noch andere Nachtwandler (nicht nur Zweibeinige). Das Händewaschen habe ich mir mal verkniffen, denn dazu hätte ich noch einen Raum weiter gemusst zu einem Waschbecken, welches keinen richtigen Abfluss hat. Das wollte ich meinen Füßen nicht antun. Die Socken sollten trocken bleiben.

Als die Sonne anklopfte und meinte, ich dürfe den Wollpullover ausziehen, kroch ich langsam aus meinem Hüttchen. Motiviert von meinem Lieblingsnachbarn begann ich den Tag mit Falun-Gong-Übungen. Und das war ein super Start. Kaum, dass ich geduscht und Haare gewaschen hatte, und mich in die Sonne legte, um ein paar Pigmente zu haschen, erhielt ich eine Einladung zum Smoothieschlürfen. Und wieder war ich total fasziniert, was der Wolf da so alles zusammenmixte. Als ich beiläufig erwähnte, dass ich das Obst eigentlich lieber kaue, als trinke … holte er noch Jack-Frucht hervor und schnitt diese in den Trinkbrei … so dass meine Zähnchen auch ein bisschen was zu tun hatten. Also was soll ich sagen … das Zeug war einfach ober-lecker!!! Eigentlich schon längst satt, fiel es mir ausgesprochen schwer, aufzuhören mit dem Schlürfen und Schmatzen. Und als wenn das Universum mir helfen wollte, dass ich mich in Pai nicht wieder ständig überfresse, so wie in den Jahren davor, weil alles soooo lecker ist … schickte es mir ein paar Darmprobleme. Gas zu produzieren ist ja nicht weiter abenteuerlich, das kennt man ja. Aber wenn die Pupse feucht sind … wird’s stressig. Wie sehr ich mir doch in diesen Momenten eine eigene Toilette herbeisehnte! Kurioserweise fand ich es völlig unnötig, das Warum, zu ermitteln. Es war mir total egal, woher das jetzt kam. Ich hatte auch nicht viel Lust, etwas dagegen zu unternehmen. Ich konnte es annehmen, wie es war und gewöhnte mich bald an die Momente, in denen ich sekundenschnell entscheiden musste, ob ich schnell auf die Toilette renne zum Pupsen oder ob ich es ohne Kloschüssel wage. Ansonsten ging es mir aber gut. Ich hatte kein Bauchweh, keinen Durchfall im klassischen Sinne und war auch sonst gut drauf. So beschloss ich, die Chance zu ergreifen und mal eine Runde zu fasten. Das hatte ich eh schon recht lange vor. Aber wie so oft, wenn ich mir so etwas vornehme, bellt mein innerer Schweinehund mich an und verlangt nach etwas Magenfreundlichem zu essen. Gekochter Reis ohne Salz … schien die richtige Wahl zu sein. Leider waren meine Gedärme anderer Meinung. Eine wahre Sinfonie trötete aus meinem Allerwertesten … Gott sei Dank dieses Mal ohne Beimengungen. Abends lud mich Wolf wieder zum Essen ein, aber ich guckte ihm doch lieber dabei zu, obwohl mich dieses hochgradig gesunde Essen auf seiner Terrasse schon irgendwie reizte. Auch beobachtete ich ihn total gerne dabei, wie er mit viel Begeisterung und Liebe jede einzelne Frucht und dergleichen würdigte. Da kann man sich echt etwas abgucken. Bei der Überlegung, was mein Pupsen minimieren könnte, waren wir uns beide einig: fasten, Wasser trinken und ein bisschen Heilerde schlucken. Dass ich ja auch homöopathische Globulis dabei hatte und den Healing-Code vergaß anzuwenden … das fiel mir alles erst später ein.

Die zweite Nacht war ganz gut, wundervollerweise auch wärmer und ruhiger, denn meine Nachbarin hatte ihre alkoholisierte Sing-Orgie schon woanders abgehalten und kam erst gegen zwei auf dem Moped angetuckert. Mein Bauch ließ mich in Ruhe. Wie wundervoll.

Leider war packen angesagt. Ich hatte nur für zwei Nächte gebucht und das erfüllte nicht nur mich mit einer gewissen Traurigkeit. Dieses spartanische Leben hatte doch einen ungeheuren Reiz und mein lieber Nachbar war eigentlich nicht zu toppen. Aber wie schon in Chiang Mai hatte ich das Bedürfnis nach einer eigenen Toilette und via Internet hatte ich mir einen Bungalow in den Bergen gebucht, der ein bisschen mehr Komfort versprach. Wolf organisierte mir einen Shuttleservice und begleitete mich noch in meine neue Location. Dort traf er einen alten Bekannten, der mir schon nach drei gesprochenen Sätzen gehörig auf die Nerven ging.

Die Besichtigung meiner neuen Bleibe rief leider keine Freudensprünge hervor. Mein erster Gedanke war: Hoffentlich riechen meine Sachen bzw. ich selbst nicht nach ein paar Tagen auch so, wie dieser Bungalow: nach Insektenvernichtungsmittel. Ich riss als Erstes die Fenster auf und gesellte mich zu den beiden Männern, die aber fleißig fachsimpelten. Ich bestellte mir einen grünen Tee, um meinen Blutdruck aufzupeppen und plötzlich überkam mich eine Niedergeschlagenheit, die schon an eine leichte Depression grenzte. Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, gleich wieder mit Wolf zurück zum Farmer Home zu fahren. Ja, ich hatte Fluchtgedanken. Natürlich bot mir Wolf Selbiges wenig später an. Aber Flucht bringt nichts. Annehmen, was ist, ist die bessere Alternative. Auch meine Niedergeschlagenheit wollte einfach nur mal gefühlt werden. Und zu Wolf sagte ich: „Ich glaube, ich muss mal wieder ein paar Entscheidungen treffen. Danach geht’s mir bestimmt besser.“ Und so zog ich mich in mein neues Castle zurück und bemühte mich, jetzt richtig traurig zu sein. Alles, was ist, darf da sein. Es funktionierte. Mir ging es besser. Dann stellte ich fest, dass mein PC auch hier nicht internetkompatibel ist und das fand ich – na sagen wir mal – besorgniserregend. Aber der Chef, ein kleiner rothaariger Engländer, sah aus, als wenn er sich gut mit Computern auskennt. Und wirklich … eins, zwei, fix … hatte er den Fehler gefunden und behoben. Ich strahlte ihn oberglücklich an und bedankte mich überschwänglich. Für mich haben ja nur noch wenige materielle Dinge einen Wert … aber mein kleiner Laptop und mein Wohnmobil schenken mir viel inneren Frieden. Auf sie könnte ich nur sehr schwer verzichten.

Dann fand ich eine Hängematte und seitdem schaukle ich jeden Tag stundenlang leicht hin und her und erfreue mich an meiner Schreibenergie. Und alles ist nur noch halb so schlimm. So habe ich durchaus glückliche Momente, aber im Großen und Ganzen fühle ich mich doch etwas angeditscht hier in dieser Anlage. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Pächter vor einer Woche ihre Kündigung erhielten und diese traurige Energie auch für andere fühlbar ist?

Gerne würde ich noch ein romantisches deutsch-amerikanisches Happyend liefern, aber daraus wird wohl nix mehr. Peter aus Amerika hat sich nicht mehr gemeldet und hier in Pai ist er mir auch (noch) nicht über den Weg gelaufen. Immer wieder fragte ich mich, wie ich wohl reagieren würde, wenn er plötzlich wieder vor mir stehen würde, so wie unzählige Male letzte Woche in Chiang Mai. Und immer wieder bin ich froh, dass dieser Ernstfall bislang ausblieb. Und so ein Stelldichein ist auch absolut nicht mehr von Nöten. Ich habe da nämlich ein paar Erkenntnisse gehabt, die des Pudels Kern sein könnten.

Denn als ich mich fragte: Was faszinierte mich so an Peter? Warum habe ich mich in ihn verliebt? … kam eine Erinnerung aus meiner Jugend hoch … die ich wohl noch nicht verdaut hatte.

Eine Sache möchte ich jedoch noch erwähnen. Wenn ich das ganze Thema Bevormundung, Einschränkung meiner Freiheit usw. mal außer Acht lasse und dann Peters Taten beleuchte, sehe ich alles durch eine ganz andere Brille. Seine Bevormundung war vielleicht einfach nur seine Art, mir nahezukommen, mir zu zeigen, dass er mich mag … und ich habe es in den falschen Hals bekommen, da es mich auf der Kopf- und nicht auf der Herzensebene erreichte. Das halte ich inzwischen für sehr wahrscheinlich. Und unter diesem Aspekt bereue ich es, ihm so einen deftigen Brief geschrieben zu haben. Kein Wunder, dass der sich nicht mehr meldete. Also sorry Peter. Den Brief hätte ich mir (vielleicht) klemmen sollen und nicht nur den Brief. Aber was soll´s? Ich bin wieder um einige Erfahrungen reicher geworden. Und dafür danke ich dir!!!

Das Fasten ging besser als erwartet, da mein Bungalow mindestens eine viertel Stunde vom Zentrum (und dessen unzählige Fressstände) entfernt liegt. Und man kann hier nur Frühstück bestellen oder sich mit Knabberzeug über Wasser halten. Als ich anfing, Spaziergänge in die Stadt zu unternehmen, fiel es mir immer schwerer, an den leckeren Sachen vorbeizumarschieren, die unglaublich verführerisch schnupperten und mir zuriefen: »Kauf mich, iss mich, kauf mich, iss mich!!« Beim Versuch, Geld aus einem Automaten zu zaubern, bekam ich einen gehörigen Schreck. Ich hatte vor dem Urlaub extra noch einen neuen Pin für meine Visa-Card angefordert, aber ein Schreiben mit einem neuen Passwort erhalten. Mit diesem kann ich zwar online meine Kontoauszüge checken, aber leider keinen Bankautomaten überzeugen, Geld auszuspucken. Gott sei Dank hatte ich noch Bargeld dabei und für den Notfall auch noch eine EC-Karte einstecken. Inzwischen habe ich rausbekommen, dass mitgebrachte Euros einem das meiste Geld beim Wechseln bescheren, da keine Gebühren anfallen (die locker zw. 5-15 Euro liegen können pro Abhebung). Und man sollte die kleinen Wechselstuben nutzen, die Banken berechnen gerne noch Schaltergebühren. Hört man erfahrenen Long-Stayern beim Reden zu, kommt man nicht umhin, sich mal zu fragen, ob man sich abgezockt fühlt. Ich habe diesbezüglich nur wenige schlechte Erfahrungen vorzuweisen. Und auch wenn das schnelle Umrechnen manchmal etwas schmerzt im Kopf … im Vergleich zu Europa … finde ich es hier alles sehr preiswert. Aber wenn man nicht aufpasst, kann´s auch ganz schön teuer werden. Unbestritten.

Und wenn ich dann nach so einem Ausflug mein Badezimmer aufsuche, verfalle ich schon mal beim Blick auf meine Toilette in ein hintergründiges Schmunzeln. Hatte ich nicht diesen Bungalow gebucht, um mein eigenes Bad zu haben? Genau genommen muss ich es mir hier mit noch viel mehr anderen Lebewesen teilen als in diesen billigen Gasthäusern. Denn hunderte kleiner Termiten nutzen ebenfalls mein WC und es war zwei Tage Arbeit, sie davon abzuhalten, meinen Allerwertesten zu untersuchen, während ich meine Geschäfte erledige. Das beste Mittel war Wasserstoffperoxyd auf die Klobrille und auf den Rand zu träufeln. Aber manchmal finde ich auch Nacktschnecken oder kleine bunte Frösche in meinem Bad. Und bevor ich den Lichtschalter betätige, flitzt da gerne mal was die Wand entlang, was hoffentlich nur eine kleine Echse ist. Naja, meistens kriege ich nur einen kleinen Schreck. Alles halb so wild.

Gestern habe ich mein Fasten mit einer milden Nudelsuppe gebrochen. Mit einem wohligen Gefühl im Bauch kam ich schwitzend in das Resort gewatschelt und laufe genau dem Mann in die Arme, dem ich nicht begegnen wollte: Rudi (der Kumpel vom Wolf). Widerwillig ließ ich mich auf ein Gespräch ein und durfte eine wundervolle Entdeckung machen: Mein erster Eindruck war falsch. Der Mann spricht zwar unglaublich laut und wirkt auf dem ersten Blick etwas oberflächlich (die Thais nennen solche Typen auch gerne Büffel), aber wenn man sich auf ihn einlässt, wird man richtig belohnt. Unsere angeregte, sehr tiefgründige Unterhaltung dauerte bis tief in die Nacht. Natürlich erzählten wir uns auch die eine oder andere Story aus unserem Leben und ich erhielt auch jede Menge Infos zum Thema Visa, Geldumtausch usw. Aber das Beste war unser Gedankenaustausch über solche Themen wie: Glaubst du an Gott? Der Unterschied zwischen Glauben und Wissen, welche Glaubenssätze uns blockieren, welche Muster wir leben, welche Stärken und Schwächen wir haben, was uns auf die Palme bringt und was wieder runter und vieles mehr. Ein ehrliches und sehr offenes Miteinander. Wow! Als ich heute Morgen die Stunden zusammenrechnete, war ich mehr als überrascht. Wir hatten uns sage und schreibe 10 Stunden am Stück unterhalten. Rekord! Und es war toll. Danke Rudi, du warst ein (überraschend) toller Gesprächspartner!

Nach vier Nächten war ich aber total froh, wieder zurück ins »Farmer Home« zu können. So ungepflegt dieses Resort auch ist, aber irgendwie fühle ich mich dort wohl. Es ist relaxter und natürlicher als anderswo. Man kann auch mal faul in der Sonne liegen und fühlt sich nicht laufend beobachtet. Und wenn man so einen lieben Nachbarn hat wie den Wolfi … dann darf man sich einfach nur glücklich schätzen. Ich werde auf ganz liebevolle Weise richtig verwöhnt, ohne dass es sich aufdringlich anfühlt. Die Smoothies, Salate und Gemüsetöpfe sind superlecker, dazu noch eine Kokosnuss und wundervolle Gespräche … also das darf sich Urlaub mit Verwöhnaroma nennen.

Obwohl ich vorhatte, mir auf dem Weg in den Süden ein neues Visum zu besorgen, ließ ich mich von Wolfi und Rudi umorientieren. Sie sagten, dass in der nächsten Kreisstadt das Immigration-Office mit den freundlichsten Mitarbeitern Thailands zu finden ist. Ein Tagesausflug dorthin würde sich lohnen. So kaufte ich mir ein Ticket und setzte mich nach dem Frühstück in so einen kleinen Minibus. Wieder war ich die einzige Europäerin. Die schöne Landschaft und die Serpentinen riefen bei mir eine entspannte Entzückung hervor, was ich von dem Mann hinter mir leider nicht behaupten konnte. Unverkennbare Geräusche ließen mich zusammenzucken. Er röhrte und röchelte in allen erdenklichen Tonlagen. Mein ängstlicher Blick nach hinten ließ mich etwas aufatmen: Er hatte eine Tüte vor dem Gesicht … aber er sah aus, als wenn er sterben wollte. Er tat mir leid, aber ich hatte auch Schiss, dass ich eine Dusche Magensäure abbekomme. Kurz nach der Pinkelpause röhrte es noch einmal. Blöderweise war danach ein Plätschern zu vernehmen. Nun hatte er also nicht in die Tüte, sondern auf den Fußboden gekotzt. Na lecker! Nicht gerade begeistert von diesem Vorfall schaute ich immer wieder auf die Pfütze und war sehr beeindruckt. Der Mann schien reines Wasser erbrochen zu haben und es war komplett geruchsneutral. Also, was es alles gibt! So etwas hatte ich noch nie erlebt. Aber gut so. Anderenfalls hätte ich meinen Rucksack mit ausgestreckten Arm zum nächsten Waschbecken transportieren oder wegwerfen müssen.

Der Busfahrer verstand kein Wort Englisch und ich war heilfroh, dass mir Wolf noch einen Zettel mitgab, auf dem mit Thaischrift geschrieben stand: Immigration Office. So wurde ich nach zweistündiger Fahrt ein paar Kilometer vor der Kreisstadt abgesetzt. Ohne die Vorinformationen hätte ich mich ziemlich verlassen und unglaublich unsicher gefühlt. Aber so wusste ich, dass der Berg, der vor mir lag, nun zu Fuß zu erklimmen war. Schweißgebadet kam ich oben an und dachte nur: Wer um Himmelswillen ist auf die Idee gekommen, eine solche Behörde außerhalb der Stadt auf einem Berg zu positionieren? Wie schon befürchtet, kam ich genau zur Mittagszeit. Freundlich wurde ich darauf hingewiesen, dass jetzt erst einmal eine Stunde Pause ist. Ja, kein Problem … denn so konnte ich ganz gemütlich schon mal das Formular ausfüllen. Wenig später setzte sich ein uniformierter Mann mit munteren Augen zu mir und fragte mich recht private Dinge in einer Art, die sich wie ein freundlich geführtes Verhör anfühlte. Für den Fall, dass sein Wissensdurst doch eher privat war, antwortete ich auf die Frage, ob ich alleinreisend wäre, mit: »No!« Putziger Weise erschienen zwei Minuten später nicht nur Wolfi im Office, sondern auch Rudi und eine Holländerin. Die Wiedersehensfreude war herzlich. Rudi und seine Bekannte haben mit dem Moped diese halsbrecherische Strecke zurückgelegt und Wolfi ist auf der Ladefläche eines Pick-ups gereist. Alle vier wurden wir sehr kompetent und freundlich bedient … sogar noch vor Ablauf der Mittagspause. Wow! Na, das war ja einfach und eine wirklich angenehme Erfahrung.

Wolfis Plan war, vom Office zum nächsten Kloster zu trampen. Die Aussicht, dort mal an einem Schweige-Retreat teilzunehmen, motivierte mich, ihn zu begleiten. Fünf Minuten, nachdem wir uns an der Hauptstraße aufgestellt hatten, (Wolfi wollte mich gerade fotografieren, wie ich mit meinem schicken Kleidchen das Schild mit Thaischrift vor die Brust hielt und mit zwei Fingern der rechten Hand nach untern winkte) … als ein Pick-Up anhielt und zwei freundliche Männer uns einluden, auf den Notsitzen Platz zu nehmen. Zwar wusste ich, dass Wolfi thailändisch sprach, aber dass er sich fließend unterhalten und dabei noch charmant locker ein paar Scherze einbauen kann … also Hut ab. Nicht nur die beiden Männer fanden das sehr unterhaltsam. Ich amüsierte mich auch prächtig, obwohl ich kaum etwas verstand. Als ich zu Wolf sagte, ich kriege langsam Hunger, wurde uns eine Tüte mit Mandarinen gereicht. Das sei ein Geschenk. Freudig schmatzend verspeisten wir die Dinger, holten dann unser Obst raus und teilten es ebenfalls. Ein wirklich nettes Miteinander. Plötzlich hielt der Wagen mitten in der Pampa an einem Abgrund. Nicht ängstlich aber neugierig beobachteten wir die beiden Männer, die aus dem Auto sprangen und sich dem Müll auf der Ladefläche widmeten. Als sie gerade den zweiten Sack in die Prärie warfen, wurde uns mulmig. Denn Wolf und ich sind Naturliebhaber und kriegen so einen Frevel nur schlecht toleriert. Aber was kann man da machen in solch einer Situation? Als Gäste, die umsonst mitfahren, können wir jetzt doch nicht rummosern. Oder doch? Ich war sehr gespannt, ob Wolf die richtigen Worte für so etwas einfallen. Hatte aber auch gleichzeitig echt Schiss, dass die gute Stimmung im Auto dann im Arsch ist. Aber das Universum half auf ganz wunderbare Weise: Ein Pick-Up mit Straßenarbeitern hielt und der Boss raunzte unseren Fahrer an, so dass der die restlichen Säcke unberührt ließ und wieder Gas gab. Buah! Und immer, wenn er langsamer fuhr, dachte ich: Scheiße, jetzt versucht er, den Rest zu entsorgen. Aber das tat er erst am Restaurant seines Vaters. Glück gehabt. Wir wussten, dass das Kloster, nicht an der Hauptstraße liegt, und hatten uns schon auf einen Fußmarsch eingestellt. Aber wir wurden direkt bis ans Tor gefahren. Wow! Herzlich bedankten wir uns und machten noch ein paar typische Touristenfotos. Eine Deutsche in weißer Kleidung beobachte uns dabei. Und nach der Verabschiedung der Fahrer setzten wir uns zu ihr an den Tisch und fragten ihr neugierig Löcher in den Bauch, was die Abläufe und Gepflogenheiten in dieser Anlage anbelangte. Bei einem kleinen Rundgang kamen wir gar nicht aus dem Staunen raus. Am liebsten wären wir gleich dort geblieben. Aber ein Blick auf die Uhr ließ uns umgehend aufbrechen. Irgendwie benommen und gleichzeitig aufgekratzt traten wir den Heimweg an und stellten uns auf 15 min Fußmarsch bis zur Hauptstraße ein. Als wir ein Auto hinter uns hörten, streckten wir optimistisch die Hände aus und machten damit dieses thailändische Tramperzeichen. Ein Pick-Up mit Mönchen war so nett und ließ uns auf die Ladefläche klettern. Gedankenversunken nahm ich von der Fahrt gar nicht viel wahr. Als Wolfi sagte: »Los, aussteigen!« … erschrak ich und beim Versuch, elegant über die Ladeklappe zu hüpfen, blieb ich mit der Fußspitze hängen … Unsanft landete ich auf dem Asphalt. Aua!!! Tapfer sprang ich auf, um mich von den Mönchen zu verabschieden. Danach beguckte ich mir die schmerzende Stelle an meinem Fußrücken und war trotz blutender Wunde unglaublich froh, so glimpflich davon gekommen zu sein. Schnell holte ich mein Kräuterelixier aus der Tasche (was auch prima gegen andere Beschwerden unterschiedlichster Art hilft) raus, desinfizierte die Wunde, machte ein Pflaster rauf und überlegte, ob mir dieser kleine Vorfall vielleicht eine Botschaft überbringen wollte. Die Frage: „Was habe ich gedacht und gefühlt, bevor es passierte?“ war schnell beantwortet. Ich hatte gerade beschlossen, meine Weiterreise in den Süden zu canceln und wollte über Weihnachten und Sylvester ins Kloster ziehen. Den Gedanken fand ich verrückt und unglaublich reizvoll. Vielleicht irre ich mich, aber ich hatte irgendwie den Eindruck, dass das Universum der Meinung ist, dass die Zeit für einen Klosteraufenthalt noch nicht reif ist. Also zurück zu Plan A.

Aber vorerst mussten wir zurück nach Pai kommen und das noch vor Anbruch der Dunkelheit, denn Wolfi hatte sein Moped außerhalb der Stadt im Straßengraben geparkt und brauchte Tageslicht, um es wiederzufinden. Also bestellten wir beim Universum ein komfortables Auto, hielten wieder ein Pappschild mit Thaischrift vor die Brust und hatten erneut binnen weniger Minuten Glück. Ein nach Geld riechendes junges Pärchen räumte ihre hintere Sitzbank frei und nahm uns mit. Wolfi übernahm wieder die Kommunikation und mich überfiel plötzlich die totale Müdigkeit. Am liebsten hätte ich ein Nickerchen gemacht. Die aufregenden letzten Stunden, gepaart mit unterschwelliger Angst, keine Mitfahrgelegenheit zu finden, wollten in Ruhe verarbeitet werden. Außerdem hatte ich viel zu wenig getrunken, denn eine drückende Blase kann auf so einer langen Strecke echt unangenehm werden. Der Fahrer fuhr rasant, aber sicher und so waren wir schneller als erwartet zurück in Pai. Ich lud Wolfi zum Essen ein und hatte danach riesige Lust auf ein knuspriges Bananentäschchen. Und so ergab es sich, dass der Tag noch eine Überraschung mit sich brachte. Denn ich traf zwei alte Bekannte, die ich mal im Glückscamp kennen gelernt hatte. Innerhalb weniger Minuten informierten wir uns über die wesentlichen Eckpfeiler der letzten zwei Jahre, umarmten uns noch einmal ganz inniglich und dann hieß es: Loslassen. Danach stellte ich mir selbst die Frage, ob ich traurig war, dieses Jahr nicht im Glückscamp eingecheckt zu haben und ich stellte mit Freude fest, dass ich dieses Jahr mein eigenes Glückscamp hatte und, dass es einfach ein riesen Glück war, Wolfi getroffen zu haben und, dass ich irgendwie glücklich bin, mit dem was ist und was war. Was will man mehr? … Ein Bett wäre schön! Wir waren sau müde. Es war ein aufregender Tag gewesen, der nicht besser hätte laufen können. Zufrieden wackelte jeder in seine Hütte und schlief tief und fest bis zum nächsten Morgen durch. Den letzten Tag in Pai verbrachte ich gemütlich mit Wolfi und zwei netten jungen Menschen aus dem Ruhrpott. Wir erzählten und lachten, lagen in der Sonne und abends kochten wir für vier. Ein bisschen Abschiedsschmerz überfiel mich und ich überlegte erneut, ob ich meine Reise in den Süden canceln sollte. Eine saukalte Nacht, in der ich alles halbwegs Warme anzog und trotzdem noch fror … half mir bei der Entscheidungsfindung. Nee, passt schon. Ich brauche Wärme!!! Also ab in den Süden.

 

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